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Ein Blick zurück – Wie schafften die  Menschen den Bau der Kirche
St. Philippus Neri in Holsen vor über 100 Jahren?


Die folgenden Auszüge und Zitate stammen aus der Chronik „Sakralbauten von Holsen, Schwelle, Winkhausen“ aus dem Jahr 2006. Sie beschreiben einen verkürzten Rückblick auf die Zeit vor über 100 Jahren als die Kirche erbaut wurde.

Die vom Kirchenbaumeister Franz Mündelein aus Paderborn angefertigten Pläne und der zugehörige Kostenanschlag wurden vom Kapellenvorstand Holsen-Schwelle am 5. April 1910 genehmigt...Mündelein hatte Baukosten in Höhe von 42.000 M ermittelt, vorhanden war jedoch nur ein bereits durch Sammlungen angespartes Eigenkapital, das 8.650 M betrug. Die politische Gemeinde Schwelle bewilligte einen Beitrag zu den Baukosten von 17.500 M, der Rest musste durch Sammlungen und Verpflichtungszeichnungen der Gemeindemitglieder aufgebracht werden. Da die Kapellengemeinde Holsen-Schwelle sich außerdem noch mit 4.800 M am Bau des Pastorats in Boke beteiligen musste, ergaben sich für den Vikar und den Kirchenvorstand erhebliche Probleme bei der Finanzierung...






Noch bevor die Königliche Regierung in Minden am 13. Mai 1910 ihre Baugenehmigung erteilt hatte, begann Burgard mit dem Ankaufen der Steine, die er aus Steinhausen, Anröchte und Westereiden bezog. Da die Gemeinde zur Ableistung der Hand- und Spanndienste verpflichtet war, musste der Vikar auch die Anfuhr des Baumaterials organisieren. Das war wegen des nassen Sommers und der schlechten Wege kein einfaches Beginnen: „Die eigenen Leute mussten
immer wieder angetrieben werden, da gab's lange Gesichter, selbst Groll und Hass...einige Vollmeier fuhren aus unserer Gemeinde 50 cbm. Bravo. Gott segne den Willen,
die gute Arbeit. Das erste Fuder fuhr Colon Jos. Gutland Holsen, unsere eigenen Leute mögen etwa die Hälfte der Steine gefahren haben, eine Glanzleistung!“


Beinahe einhundert Jahre nach dem Bau der Kirche muss der heutige Betrachter mit Hochachtung auf die bewundernswerte Leistung der Holsener Gemeindemitglieder blicken, die auch mit dem Anfahren der Steine nicht beendet war: „Weil das Gestein auf dem Bauplatze nicht ganz lagern konnte, wurden Abend für
Abend die waffenfähigen Mannschaften zusammengetrommelt. John. Niggemeier Holsen war immer
allen voran, nur wenige entzogen sich dieser schweren Arbeit, fuhren öfters 12-15 Wagen an einem Tage. Selbstverständlich wurden die Müden gelobt und die Durstigen getränkt. Zuckerwasser gab es sogar, die meisten tranken aber nur Gebranntes. Allerdings wurden die kleinen Gläser oft benörgelt.“


Vikar Burgard scheint seine Holsener gut gekannt zu haben, sowohl ihre Vorliebe für „Gebranntes“ und ihre Abneigung gegen die „kleinen Gläser“ wie auch ihren Arbeitseifer und ihre Gebefreudigkeit für den Kirchbau.
Den Bausand erhielt er kostenlos und zwar den größten Teil von Gutland-Thomas sowie einige Fuder von Wolfförster-Winkhausen und Josef Gutland Holsen. Mehr noch als die 300 qm Bausand für den Kirchbau benötigte man zur Auffüllung des Innenraumes der Kirche bis zur Fußbodenhöhe. Noch in der Nachschau erinnert sich Burgard in einer farbigen Schilderung an diese Arbeit: „...Am frühen Morgen wanderte Jung
und Alt in den Sandberg, bis 9 Uhr war es meistens still, nachdem der Vikar die hl. Messe gelesen und
Gottes Segen auf  Baumühe und Bauarbeit herabgefleht, beflügelte er noch nüchtern sein Stahlross, in manchem Haus' gab's ein Donnerwetter, weil die versprochenen Arbeiter ausblieben. Dann aber ging es mit Hurra an die Arbeit, so dass wiederholt 50 Mann beschäftigt waren; es knallten die Peitschen, es wieherten
die Pferde, er rollten die Wagen, vorwärts, vorwärts, schon leuchtete der Mond; Resultat 185 Fuder Sand an einem Tage und warte das Brevier kommt zuletzt. So ging's Tage lang....“


Den Kies erbettelte Vikar Burgad in Störmede und Langeneicke; den Aushub und seine Anfuhr übernahmen wiederum die Gemeindemitglieder aus Holsen, Schwelle und Winkhausen. Wenn er auch wohl
manchmal ein „Donnerwetter“ losschicken musste, so wusste der doch die Arbeitsleistung zu schätzen
und schrieb:
„Weil der Vikar vielfach auf Bettelreisen war und somit nicht immer auf dem Baugeländer anwesend war,
blieben die braven Leute, welche den Kies unter großen Mühen gratis anfuhren, unbekannt, doppelt wollte es der Herr eintragen in das Buch des Lebens.“


Die zum Verzimmern des Dachstuhls notwendigen Fichten erwarb Burgard zum Preis von 1.085 M aus dem Flakenholze bei Büren, weil das Holz von felsigen Grunde zäher ist als das aus unserer Gegend. Einmal
fuhren frühmorgens, wenn die Hähne krähen 13 Gespanne hinaus ein andermal 8 und brachten glücklich das Holz nach hier,...


Der Kirchturm sollte der Stolz der Gemeinde und des Ortes werden, deshalb war vorgesehen, ihn nur in „kernigem“ Eichenholz zu verzimmern...“damit Kindeskindern Opfer und Arbeit erspart bliebe. 80 Eichen
wurden erbettelt, recht stattliche Bäume, die immerhin einen Wert von mindestens 3.000 M haben.
Nicht nur in Holsen, Schwelle und Winkhausen wurden sie erbettelt, sondern auch in Boke, Elsen,
Heidwinkel, Anreppen, Lippling, Delbrück, Westenholz und Garfeln Unter der Beschaffung dieses Holzes
und unter seiner Zubereitung (Fällen, Fahren, Sägen, Anfuhr zum Zimmerplatz bei Victor Beine) musste
der Vikar erliegen; einzig und allein...Franz Fretter, „Gasthof zum Jägerkrug“ ist es zu verdanken,
wenn der Vikar seine Gesundheit halbwegs behalten und die 80 Eichen beschafft wurden, ohne einen Deut zahlen zu müssen.


Seine Dankbarkeit für die Gemeindemitglieder, die wie er Bettelreisen unternahmen, fasst er in
folgende Sätze: „In gleicher Weise wie Herr Fretter sorgte auch seine Gemahlin, Frau Maria Fretter,
ca 2.000 M brachte sie durch ihre Bettelgänge ans Land. Solche Arbeit verdient von allen lieben Nachfolgern Lob und Anerkennung. Segen vom Vater, der im Himmel ist. Ebenso verdient Familie Richter in Schwelle aufrichtigen
Dank und Gottes reichen Segen“...


Heinrich Heber aus Holsen legte am Herz-Jesu-Freitag im Juli 1910 den ersten Stein. Dieser Grundstein wurde  am 24. Juli, dem Liboritag, durch den Dechanten Schunk aus Salzkotten eingesegnet. Am 25. Juli berichtete das Westfälische Volksblatt über diese Feier: „ Mit Recht darf die Filiale stolz sein, dass es ihr geglückt ist,
mit ungeheurem Aufwand an Arbeit, Mühe, Opfer aus eigener Kraft dem Allmächtigen ein Haus zu bauen, welches seiner würdig ist und den Bedürfnissen der Gemeinde entspricht. Dank schuldet sie den Bewohnern von Boke, Thüle, Verne, Enkhausen, Verlar, Störmede, Langeneicke, Upsprunge und der ferneren Umgebung, welches teils durch Bauholz, teils durch Fuhren, teils durch klingende Münze uns unterstützten; allen die das dachten: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ sei herzlich gedankt mit einem tausenfachen Vergelt's Gott! Möge der Bau in Gottes Hand stehen und den späteren Geschlechtern erzählen von dem frommen Sinn und Opfermut der Vorfahren...“


Der Rohbau konnte noch im Dezember 1910 gerichtet werden...“Die Filiale Holsen, welche für das neue Gotteshaus große Opfer und schwere Arbeit geleistet,...erntet jetzt schon durch den stattlichen Bau den verdienten Lohn. In goldenen Lettern müsste die Kirche die Inschrift tragen: „Bürger Einheit mein Beginnen, Gottes Hülfe mein Gelingen.“...

Am 2. Juli 1911 konnten die drei vom Bochumer Verein gelieferten Gußstahl-Glocken durch den Dechanten Schunck geweiht werden. Mit dem Stolz auf die geleistete Arbeit und der Gewissheit, dass diese nun
durch den beinahe fertiggestellten Kirchenbau ihre sichtbare Gestalt erhielten, mögen alle Gemeindemitglieder das jubelnde Empfinden des Ortschronisten Tegethoff geteilt haben, das dieser der Chronik anvertraute:
„Am Abend vor Pfingsten riefen sie dann zum ersten Male mit hehren Klängen den Bewohnern der Gemeinde einen frohen Pfingstgruß entgegen.“...


Nach einjähriger Bauzeit konnte Dechant Schunk am 18. Juli 1911 die nun fertiggestellte Kirche benedizieren. Vikar Burgard beendete seinen Bericht über diese Feier mit dem Dank und einer stillen Verbeugung vor allen Helfern und Spendern:

„Die neue, im Barrockstil gebaute Kirche, ist eine Zierde der Gegend, eine würdige Stätte der Gottesverehrung, ein stummes und doch so beredtes Zeichen lebendigen Glaubens und opferwilliger Gesinnung der Kirchengemeinde Holsen. Möge die neue Kirche, die sich äußerlich schön präsentiert, auch in ihrer Ausstattung bald der Vollendung entgegengehen, möge die Gebefreudigkeit und Einigkeit der Gemeinden Holsen, Schwelle und Winkhausen, fortdauern und
noch recht viele Früchte zeitigen zur Ehre Gottes und
zum Heil der unsterblichen Seelen!“
...




Sowohl die vor und während der Bauzeit geleisteten Hand- und Spanndienste der Gemeindemitglieder, wie
auch die in den fast einhundert Jahren danach erbrachten Arbeitsstunden summieren sich zu einem
Bündel von beachtlichem Umfang. Ebenso hoch oder noch höher sind jedoch die finanziellen Leistungen
zu bewerten, die zur Erstellung des Baues, aber auch in den folgenden Jahrzehnten zu seiner Ausstattung
und für seien Erhaltung aufgebracht worden sind. Sie geben Zeugnis von dem tief verankerten Glauben der Gemeinde Holsen sowie ihre Liebe, mit der sie zu ihrer Kirche stehen.




Das „Vergelt's Gotte“, dass die Vikare Anton Burgard und Konrad Hansmann ihren zeitgenössischen Gemeindemitgliedern auf den
Weg gaben, gilt, wenn es auch nicht so explizit vermerkt ist, ebenso für die nachfolgenden Generationen. Burgard und Hansmann ha
ben die erbrachten Leistungen und Opfer dem „Buch des Lebens“ anvertraut. In ihm sind die Aktivposten der einzelnen Gemeindemitglieder unsichtbar aufgezeichnet. Ihre Kirche aber, die sie
St. Philippus Neri geweiht haben, ist der
sichtbare Aktivposten, der mit seiner unverwechselbaren Architektur seit über
einhundert Jahren die
Landschaft um Heder
und Lippe prägend überragt...“








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